Volker Müller
Unser geschätztes Mitglied Volker Müller ist am 16. Februar 2021 im Alter von 78 Jahren verstorben. Wir verneigen uns vor seinem Lebenswerk und werden ihn stets in unserer Erinnerung halten.
Mit großer Trauer mussten wir leider vom Tod unseres langjährigen und aktiven VDT-Mitglieds Volker Müller erfahren. Unerwartet ist Volker Müller am 16. Februar 2021 in Köln verstorben.
Volker Müller war nach seinem Studium der Ton- und Bildtechnik an der Robert Schumann Hochschule / FH Düsseldorf ab 1966 als Toningenieur beim WDR tätig.
Während seiner gesamten beruflichen Laufbahn widmete er sich dort der elektronischen Musik. Mit großem Engagement betreute er als technischer Leiter das weltweit renommierte „Studio für Elektronische Musik“ des Westdeutschen Rundfunks in Köln. Er arbeitete dort mit den namhaften Komponisten dieses Genres wie Karl Heinz Stockhausen, York Höller, Peter Eötvös, Iannis Xenakis, Henry Pousseur, John McGuire und zuletzt Paulo Chagas zusammen.
In der Anfangsphase des Studios für Elektronische Musik in den 50 und 60er Jahren wurden dort echte Pionierleistungen erbracht. Es gab ja keinerlei spezielle Gerätetechnik, auf die zurückgegriffen werden konnte, alles begann mit Sinus-, Rausch- und Impulsgeneratoren aus der Messtechnik, Filtern, Mehrspurmaschinen und vielen selbstentwickelten Apparaturen. Als Volker Müller 1971 das Studio als Technischer Leiter übernahm, kamen dort bald die ersten analogen Synthesizer und Vocoder zum Einsatz, später die ersten Digital-Sampler und Disc-Recorder, und als Steuerzentrale eins der ersten vollautomatisierten Analogmischpulte.
Aber Volker Müller war viel mehr als ein reiner Techniker: Er realisierte die Ideen und Vorstellungen der Komponisten, die ja in der Regel nicht mit der komplexen Technik vertraut waren. Er war somit in die Entstehung der musikalischen Werke unmittelbar und intensiv eingebunden. Das Studio war das „musikalische Instrument“ das er perfekt spielte. Seine Intention: „Das Wesentliche, was ich in meiner Arbeit im Studio erlebt habe, ist, dass der ordnende menschliche Geist die Musik macht. Und nicht der Apparat.“ (Zitat aus 2001)
Bemerkenswert ist auch, dass er bereits in sehr frühen Zeiten die räumlichen Aspekte der Musikwiedergabe als wichtige Komponente einbezog, lange vor Dolby-Surround und DTS. Denn das Studio verfügte über eine 12-kanalige ringförmige Anordnung von diskret ansteuerbaren Lautsprechern, mit der die Werke erarbeitet wurden, die dann auch oft in Mehrkanaltechnik vor Publikum aufgeführt wurden. Er war somit quasi ein früher Wegbereiter für die heutigen Immersive-Audio- bzw. Spacial-Audio-Technologien.
Das Studio hatte in diesen Jahren eine weltweite Ausstrahlung. Vieles aus der aktuellen Pop-Musik entwickelte sich auf Basis der Entwicklungen aus dem Studio in Köln und viele sehr populäre Bands wie Kraftwerk oder Pink Floyd bezogen sich seither auf die frühen Entwicklungen der Elektronischen Musik. Heute ist zwar mit digitalen Mitteln alles viel einfacher geworden, aber in den Ursprüngen ging es nur mit viel Kreativität und Experimentierfreude.
Selten habe ich jemanden kennengelernt, der sich in einem solchen Maße wie Volker Müller mit seiner Arbeit identifizierte. Das Elektronische Studio war sein Lebensinhalt. Auch nachdem der aktive Betrieb des Studios von Seiten des WDR eingestellt wurde, hat er sich stets und mit Inbrunst für den Erhalt der Werke und der historischen Einrichtungen stark gemacht. Er plante vor Jahren mit Akribie den Umzug des Studios in seine heutige Stätte in Ossendorf, wobei es ihm sehr wichtig war, alles in funktionsfähigem Zustand zu erhalten. Auch nach seiner Pensionierung betreute er die Digitalisierung der dort entstandenen Werke und half bei der Katalogisierung und Archivierung der Werke. Weiterhin unterstützte er die vielfältigen Bemühungen, die Einrichtungen des Studios in aktiver Funktion für interessierte Besucher auch für die Zukunft zu erhalten.
Er war ein interessanter und außergewöhnlicher Mensch, nicht immer bequem bei seinem Anliegen, auf die historische Bedeutung des Studios und der dort entstandenen Werke aufmerksam zu machen und für den Erhalt zu kämpfen. Seine Standfestigkeit und sein Engagement haben mich sehr beeindruckt und in Teilen auch geprägt.
Auch nach seiner Pensionierung zum 30. April 2007 war Volker Müller bis zuletzt mit Enthusiasmus bei der Sache wenn es darum ging, die Einrichtungen des Studios den Interessierten aus der Fachwelt zu demonstrieren und die Werke vorzuführen und zu erläutern. Dabei konnte er auf einen immensen Wissensschatz zurückgreifen und hatte die Fähigkeit, ausnahmslos alle zu begeistern. Dies drückt sich auch in den vielen anerkennenden Berichten in der Fachpresse, im Radio, besonders aber auch im Internet aus.
Dem Verband Deutscher Tonmeister war er sehr verbunden, sei es mit seiner regelmäßigen Präsenz und Beteiligung an den Tonmeistertagungen oder bei den Demonstrationen im Studio, die er für den VDT durchgeführt hat. Er hat sich um einen wichtigen Aspekt der Musik-Geschichte sehr verdient gemacht. Einiges von seinem immensen Wissen ist dokumentiert, aber wer ihn gekannt hat, hat den Eindruck, dass es nur ein Bruchteil von dem sein konnte, was er verkörperte.
Sein Herzensanliegen war der funktionsfähige Erhalt des Studios für die Zukunft, um den nachfolgenden Generationen einen lebendigen Eindruck aus dieser wichtigen Phase vermitteln zu können. Wir wünschen uns sehr, dass es dem WDR gemeinsam mit möglichen Partnern gelingen wird, hierfür eine zukunftsfähige Lösung zu finden.
Leider hat Volker eine wichtige Würdigung, die er noch sehr aktiv mitgestaltet hat, nicht mehr erleben können. Am 10.03.2021 wurde bei Google Arts & Culture eine umfangreiche und zeitgemäße Präsentation des Studios für Elektronische Musik freigeschaltet. Wer sich ein Bild von Volker Müllers Wirken machen möchte, hat hier eine lohnenswerte Gelegenheit dazu.
Text: Jürgen Marchlewitz
Foto: Markus Thiel