RG München: MY45 VINYL – Alles aus einer Hand
Besuch eines modernen Vinyl-Presswerks
Autor: Dominique Klatte, Fotos: Gerhard Plume
Die Regionalgruppe München hatte am 14.10.2022 zu einem Rundgang durch das Plattenpresswerk MY45 geladen. Bei diesem Regionalgruppentreffen gab es viel zu sehen und zu erfahren, da nur wenige von uns im Berufsalltag mit dem Spezialgebiet der Schallplattenherstellung zu tun haben. Arne Albrecht, der auch für das Mastering und den Vinylschnitt im Haus zuständig ist, führte uns durch den Betrieb.
Die Vorstellungsrunde zu Beginn des Regionaltreffens
Nach einer kurzen Begrüßung beginnt die Führung im Schnittstudio. Für uns Tonschaffende ist es ein besonderes Gefühl, zwischen den Schneidemaschinen für Lackfolien und DMM (Direct Metal Mastering) zu stehen.
Der Folienschnitt
Unsere besondere Aufmerksamkeit erweckt die neue Schneidemaschine: Ein kompaktes Gerät, das mit viel Aufwand in Handarbeit entstanden ist. Sie wurde von Thorsten Scheffner, einem freischaffenden Plattenschnitt-Experten, entwickelt und gebaut. Natürlich kleben unsere Augen auch an den alten Neumann-Maschinen im Studio. Der Wartungsaufwand für diese wird allerdings von Jahr zu Jahr größer; die Ersatzteilbeschaffung ist schwierig. Da ist es ein wahrer Segen, dass MY45 auf das oben erwähnte neue Gerät dieser Gattung zurückgreifen kann.
Die selbst entwickelte Schneidemaschine
Der Transfer zum Folienschnitt kann dann digital aus einer Workstation oder auch über das klassische Master-Tonband erfolgen. Ist der Master tontechnisch noch nicht einwandfrei, können vor oder während des Schnitts kleine Korrekturen wie etwa eine Pegelangleichung, ein Panning oder Limiting gemacht werden. Dabei wird vorausgesetzt, dass der Master im Großen und Ganzen die erforderlichen Spezifikationen für die Schallplatte erfüllt. Sollte dies nicht der Fall sein oder der Kunde umfangreichere Korrekturen am Master wünschen, wird ein umfangreiches Vinyl-Premastering im Studio fällig. Hierbei möchte ich erwähnen, dass sich die Mastering-Arbeiten für Vinyl, CD oder Streaming grundlegend unterscheiden. Erfahrung, Sachkenntnis sowie ein guter Werkzeugkasten sind zwingend notwendig, um ein gutes Ergebnis zu erreichen. Leider gibt es kein günstiges „Allround-Magic-Plug-in“, so wie es sich mancher Kunde wünschte.
Von der Folie zum Metall
Ist die Folie erfolgreich geschnitten, geht es in die Galvanik. Die weiche Folie ist sehr empfindlich und muss für die Weiterverarbeitung metallisiert werden. Dies geschieht galvanisch im Nickelbad. Durch einen chemischen Prozess wird eine 0,3 bis 0,4 mm dicke Nickelschicht aufgetragen. Das Endergebnis der Galvanik ist der so genannte *Stamper*, mit dem später die Platten gepresst werden. Bei MY45 betreut Dieter Zeh die gesamte Galvanik-Abteilung, die viel Erfahrung mit der Materie voraussetzt. Hier ist ausgesprochenes Spezialistentum gefragt!
Bei einem Direkt-Metall-Schnitt entfallen die Arbeitsschritte in der Galvanik und damit weitere mögliche Fehlerquellen, was der Audioqualität zugute kommen kann. Wiederum können bei dieser Technik Nachteile entstehen, weshalb während der Führung eine kontroverse Diskussion entsteht.
Die Galvanik
Die Pressung
Sind die „Väter“ und „Mütter“ angefertigt, erfolgt der nächste Schritt in der Plattenpresse. Dort wird die heiße Vinyl-Masse unter hohem Druck in Form gebracht. Gleichzeitig bringt man das vorbereitete Label in der Mitte der Platte auf. Anschließend schneidet ein Cutter den überstehenden Vinyl-Rand sauber, wonach die Platte ins Magazin abgelegt wird. All dies geschieht automatisch. Jetzt müssen die noch sehr warmen Platten im Lager langsam auskühlen.
Der Press-Master, geschützt in einer Pizzaschachtel
Nahansicht einer Vinylpresse
Wie man auf den Fotos der Pressen erkennen kann, sind die Geräte äußerst komplex und deshalb aufwendig zu warten und zu justieren. Schwierig ist es allein, da es unterschiedliche Plattengewichte wie Heavyweight (180 g) gibt, außerdem farbiges Vinyl und weitere Varianten. Die Wünsche des Kunden haben Einfluss auf den gesamten Herstellungsprozess. Erschwerend kommt hinzu, dass selbst unterschiedliche Wetterlagen die Verarbeitung des erhitzten Granulats in der Maschine beeinflussen. Auch die Qualität des Werkstoffs selbst spielt eine entscheidende Rolle. Deshalb nimmt die Geschäftsführung von MY45 höhere Kosten auf sich, um höchste Plattenqualität zu gewährleisten. Das Motto lautet hier: „Für billiges Material sind wir zu arm!“ – nicht selbstverständlich in der Branche!
Nicht zu vergessen sind diejenigen, die alle Geräte bedienen können müssen. Den Operator*innen dieser Maschinen, Profis auf ihrem Gebiet, gebührt höchster Respekt."
Lagerung und Logistik
Die unterschiedlichen Stapel warmer Platten müssen nun in einem eigenen Bereich des Lagers zwei bis drei Tage lang abkühlen. Das dortige Personal muss den Überblick über verschiedene Produktionen behalten. Nicht auszudenken, wenn hunderte Platten während der Konfektion ins falsche Cover wanderten und der Kunde seine Musik nicht mehr erkennen würde!
Schon bei dieser knappen Darstellung des Produktionsprozesses kann man sich vorstellen, was passiert, wenn ein Rädchen im Getriebe nicht einwandfrei läuft. Ich spreche als Plattenproduzent aus Erfahrung: Erst wenn die Scheibe auf dem heimischen Plattendreher klingt, lösen sich alle Sorgen in Luft auf und ein Lächeln legt sich auf mein Gesicht.
Nach diesem anschaulichen Rundgang mit Arne Albrecht kamen viele weitere Fragen auf, die in einem schönen Gasthaus abendfüllend besprochen wurden. Insgesamt war dieses Regionalgruppentreffen mit einer Kleingruppe aus 12 Teilnehmenden sehr informativ, aufschlussreich und hat den Grundstein für weiteres Netzwerken gelegt. Ein großer Dank an die Organisatoren und Beteiligten!
Über MY45
Das vor den Toren Landshuts gelegene Presswerk hat sich seit 2006 mit einer hochwertigen Vinyl-Produktion und einem stetig wachsenden Kundenstamm einen angesehenen Platz in der Schallplattenproduktion erarbeitet. Eine Grafikabteilung und das angrenzende Mastering-Studio machen den Betrieb zu einem Volldienstleister, der den Kundenwünschen in einem hochprofessionellen Umfeld gerecht wird. Trotz begrenzter Kapazitäten und stark steigender Energiepreise versucht MY45, dem Kunden einen erschwinglichen Preis-Leistungs-Rahmen zu erhalten.
Der Autor
Dominique Klatte, VDT-Mitglied in der Regionalgruppe München, betreibt seit 2017 selbst ein Label, das ausschließlich auf Vinyl produziert. Daher ist er der ideale Chronist dieses thematisch speziellen Regionalgruppentreffens.
Hier das Original-Einladungsschreiben vor dem Regionalgruppen-Event:
Liebe Kolleginnen und Kollegen der Gruppe München/Bayern,
die Exkursion unserer Regionalgruppe, welche wir 2020 absagen mussten, findet nun endlich statt – diesmal rein „analog“.
„MY45 VINYL – Alles aus einer Hand“
MY45 ist ein unabhängiges Schallplattenpresswerk, das 7-Inch- und 12-Inch-Schallplatten in eigener Produktion presst. Vom professionellen Audio-Mastering bis zur fertig für den Handel konfektionierten Vinyl wird seit der Gründung im Jahr 2006 ein umfassendes Leistungsspektrum rund um die Herstellung von Schallplatten geboten.
Die Experten von MY45 werden uns durch den Vinyl-Produktionsprozess führen – vom hauseigenen Mastering-Studio bis zur gepressten Scheibe –, und alle Fragen rund um die Schallplattenherstellung beantworten.
Um vor Ort alle Details an den Maschinen und Arbeitsplätzen gut mitverfolgen zu können, ist die Gruppengröße diesmal auf 12 Personen beschränkt, wir bitten daher um rechtzeitige Anmeldung, und um Nachsicht sofern die maximale Personenzahl erreicht ist. Es wird aus München Fahrgemeinschaften geben – diesbezüglich bitten wir direkt bei der Anmeldung um Mitteilung, wer selbst mit dem Auto fährt, weitere KollegInnenn mitnehmen könnte, oder in vorhandenen Fahrzeugen gerne mitfahren möchte.
Termin: Freitag, 14. Oktober 2022, 17:00 Uhr (bitte pünktlich)
Treffpunkt: MY45 GmbH & Co. KG, Hauptstr. 30, 84184 Tiefenbach (bei Landshut/Niederbayern)
Anmeldung bis spätestens 07.10. (inkl. Angaben bezüglich „Fahrt nach LA“, s. o.)
bitte per e-mail an: . Im Anschluss werden wir in einem Restaurant bei geselligem Beisammensein die Gelegenheit haben, uns kollegial weiter auszutauschen.
Bis dahin, viele Grüße
Andreas Ziegler, Robert Wiesner, Gerhard Wölfle